Fachkonferenz Bildungsmonitoring in Berlin
Unter dem Motto „Zahlen bitte!“ kamen am 9. und 10. Dezember 2019 Bildungsakteure aus Forschung und Praxis im Mercure Hotel MOA in Berlin zusammen, um über neue Perspektiven auf die Kommunikation und Nutzung von Bildungsdaten zu diskutieren. Denn: Zahlen zählen! Insbesondere dann, wenn sie nicht nur gesammelt, sondern auch adressatengerecht aufbereitet und kommuniziert werden. Wir blicken zurück auf zwei Tage voller interessanter Denkanstöße und inspirierender Begegnungen.
Organisiert wurde die Konferenz von der Koordinierungsstelle Bildungsmonitoring (KOSMO), die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) darin gefördert wird, kommunales Fachwissen zu bündeln und neue Impulse für die Weiterentwicklung des Bildungsmonitorings zu setzen.
Gut vernetzt ist halb gesteuert
Der Zeitpunkt für eine bundesweite Fachkonferenz zum Thema Bildungsmonitoring sei, etwa 15 Jahre nach Veröffentlichung des ersten kommunalen Bildungsberichts, ideal gewählt, bemerkte Katja Wolf und betonte zugleich, dass das Monitoring eng in die Bildungsplanung der Kommunen eingebunden werden müsse, damit die Ergebnisse eines Bildungsmonitorings überhaupt erst eine nachhaltige Wirkung zeigen könnten. „Ein Bildungsmonitoring muss sich die Akzeptanz der Verwaltung nicht selten erst erarbeiten. Daher müssen Monitorer*innen in der Verwaltung gut vernetzt sein“, erläuterte Wolf. „Wenn sie ihre Ergebnisse dann noch überzeugend präsentieren, können sie viel bewirken.“
Dass dies ohne eine erfolgreiche Vernetzung aller Akteure kaum gelingen kann, stellte auch Dr. Thomas Greiner, Leiter der Unterabteilung lebensbegleitendes Lernen im BMBF, in seiner Eröffnungsrede klar. „Wir wissen, dass der Aufbau und die Weiterentwicklung eines professionellen Bildungsmonitorings starker Partner bedarf und die nachhaltige Verstetigung von Erreichtem sich nicht ohne Weiteres ergibt“, erklärte Dr. Greiner. „Deshalb haben wir zur Unterstützung der Kommunen die Koordinierungsstelle Bildungsmonitoring ins Leben gerufen“, so Greiner weiter. Die Fachkonferenz greife nun eine aktuelle Herausforderung des Bildungsmonitorings auf, nämlich die Frage, wie Daten für den bildungspolitischen Diskurs sowie für Steuerungsentscheidungen nutzbar gemacht werden können.
Es war einmal … ein Bildungsbericht
Schließlich sind Daten und Zahlen nicht immer leicht zu vermitteln. Das jedenfalls ist die Erfahrung vieler Bildungsmonitorer*innen in der Praxis. Dass es lohnenswert sein kann, bei der Vermittlung von Monitoringergebnissen neue Wege zu beschreiten, verdeutlichten Prof. Dr. Stefan Brauckmann von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und Dr. Marcel Humar vom Goethe-Gymnasium Berlin-Wilmersdorf in ihrer gemeinsamen Keynote zum Thema „Data-Driven Storytelling für das Bildungsmonitoring“.
„Daten sind kalt, ein Kontext schafft Wärme“, gab Stefan Brauckmann zu bedenken. „Die Story schafft eine wichtige Verbindung zwischen Kognition und Emotion. Emotion wiederum schafft Identifikation und erhöht die Handlungsbereitschaft“, so Brauckmann weiter. Marcel Humar ergänzte, dass Storys ein integraler Bestandteil unserer Kultur und unseres Alltags seien und betonte den Nutzen von narrativen Elementen, um Daten zu transportieren und Informationen an den Adressaten zu bringen.
Brauckmanns und Humars These, mittels Daten-Geschichten die Wirkung der Präsentation von Analysen zu vergrößern, stieß im Publikum auf positive Resonanz – mit dem vielfach geäußerten Interesse, die spannende Thematik im Hinblick auf die Anwendung in der Praxis zu vertiefen.
Jenseits der Daten
Dass Anekdoten, Storys und Emotionen schon jetzt im Alltag von Bildungsmonitorer*innen und Bildungsmanager*innen im Austausch mit Politik und Kommunen eine zentrale Rolle einnehmen, kam auch im Rahmen der anschließenden Gesprächsrunde zum Tragen. In der von Dr. Klaus-Peter Meinerz vom Projektträger des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums moderierten Runde diskutierten Michael Fedler aus dem Referat für strategische Planung des Landkreises Osnabrück sowie Florian Neumann, der Leiter der Transferagentur Bayern Nord zum Thema „Bildungsmonitoring³ – Kommunikation. Rezeption. Datenbasierung“.
„Jenseits der Daten, die wir präsentieren, bringt natürlich jeder, der sich damit auseinandersetzt, eine eigene Sichtweise mit“, verdeutlichte Michael Fedler. „Der ein oder andere nimmt dann die vermeintlich neutralen Daten, die wir als Bildungsmonitoring liefern können, auch manchmal gar nicht zur Kenntnis, weil vieles extrem überlagert wird durch die persönlichen Haltungen.“ Demnach sei es wichtig, die Kommunikation von Daten und die Rezeptionsgewohnheiten der Zielgruppen entsprechend zu berücksichtigen. Dies geschehe in Osnabrück beispielsweise über Round Tables und Zukunftskonferenzen, um Monitoringergebnisse in den politischen Prozess einzubringen.
Goldfischglas und Theseninseln
Nachdem die erste Halbzeit des ersten Konferenztages im Zeichen von Vortragsformaten stand, ging es für die Teilnehmer am Nachmittag in kleineren Gruppen in parallel stattfindenden Sessions weiter. Prof. Dr. Nina Kolleck von der Universität Leipzig referierte zudem im großen Konferenzraum zur „Visualisierung von Akteursnetzwerken in kommunalen Bildungslandschaften“ und präsentierte eine Reihe von Tools zur Erstellung von Netzwerkanalysen, darunter die kostenfreie OpenSource-Lösung Gephi.
Im Raum MOA4 wagten sich derweil die Teilnehmer ins metaphorische Goldfischglas, um im Rahmen der Fishbowl-Session den Nutzen und die Nutzung von kommunalen Bildungsberichten zu diskutieren. Neben den drei im Innenkreis sitzenden Diskutanten Antje Jahn (Bildungsmonitoring Stadt Dresden), Dr. Claudia Böhm-Kasper (Koordination Bildungsmonitoring Kreis Lippe) und Tim Siepke (KOSMO, Fachliche Leitung Standort Potsdam) konnten sich getreu dem Fishbowl-Format jederzeit Personen aus dem Außenkreis in die Diskussion einbringen. Auf diese Weise kam es zu einem ebenso regen wie kontroversen Austausch. An dessen Ende stand unter anderem die Feststellung, dass eine professionelle Vermarktung und Gestaltung von Produkten einen wichtigen Beitrag zu deren späteren Nutzung leisten. Zudem ist es sinnvoll, so früh wie möglich so viele Akteure wie möglich einzubeziehen und konkrete Zielvorstellungen zu erarbeiten.
Ebenso lebhaft wie in der Fishbowl wurde auch auf den benachbarten Theseninseln im Raum MOA3 diskutiert. Inhaltlicher Kern des Gesprächsformates waren drei mögliche Stellschrauben, mit denen die Nutzung und Wirkung von Bildungsmonitoringergebnissen positiv beeinflusst werden kann. Auf Basis dieser Stellschrauben – die adressatengerechte Konzipierung, die ansprechende Aufbereitung sowie die anwendungsorientierte Diskussion von Veröffentlichungsformaten – wurden drei bewusst provokant formulierte Thesen in den Raum gestellt, die die „Insulaner“ zu einem engagierten Gedankenaustausch animierten.
Gute Produkte und Best Practices
Der zweite Tag der Fachkonferenz erlebte mit den „Product Pitches“ einen temporeichen Einstieg. Die Stadt Heilbronn, der Landkreis Schwandorf sowie der Landkreis Uelzen stellten in pointierten Kurzpräsentationen die Ergebnisse ihrer Arbeit vor. Am Beispiel des Schwandorfer Bildungsberichtes veranschaulichte Franz Pfeffer, Kreiskulturreferent und Bildungsbeauftragter des Landkreises, warum es wichtig ist, einen Bildungsbericht partizipativ zu entwickeln und somit die gewünschte Rezeption vorzubereiten. Ebenso wie der Schwandorfer Bericht, der sich thematisch auf das Problem des Überganges „Schule – Ausbildung/Studium“ fokussiert, setzt auch die Heilbronner Bildungsberichterstattung einen klaren Schwerpunkt durch den Bezug zu vier zentralen Leitzielen der 2007 begonnenen kommunalen Bildungsplanung. Nadine Aker vom Bildungsbüro der Stadt Heilbronn betonte zudem die Bedeutung einer ansprechenden Aufbereitung. Der Inhalt müsse von einem professionellen Design mit einheitlichem Farbschema sowie übersichtlichen Diagrammen und Infografiken flankiert werden.
Auch der „Pitch“ des Uelzener Bildungsberichtes zeigte abschließend überzeugend, dass sich die Qualität eines Produktes nicht zwangsläufig an der Anzahl der Seiten ablesen lässt. In einer Kompaktversion stellte die Referentin Sabrina Boenschen (Bildungsbüro Landkreis Uelzen) die Übersichtlichkeit der präsentierten Daten und eine Fokussierung auf steuerungsrelevante Kennzahlen in den Vordergrund.
Zahlen mit Wirkung
Eine ansprechende, pointierte Aufbereitung von Bildungsdaten scheint demnach ein wichtiger Faktor für die Wirkung eines Produktes zu sein. Dieser Aspekt wurde auch in den drei parallel stattfindenden Foren zum Thema „Mit Zahlen überzeugen – Von Daten zu (Aus)Wirkungen“ aufgegriffen. In Ihrem Vortrag „Von Daten zu Karten“ zeigten Lutz C. Popp, Amt für Schule der Stadt Bielefeld, und Benjamin Harney, Fachbereich Immobilien und Wahlen der Stadt Herne, im Forum 2, wie verschiedene Typen von Geodaten und Visualisierungen, beispielsweise von Schülerströmen, Aufmerksamkeit in der Politik und letztlich Steuerungsrelevanz erzeugen können. Die Bedeutung einer intensiven Kommunikation in diesem Prozess betonte Heike Fleischmann unterdessen im Forum 3. Die Abteilungsleiterin Bildungsplanung/Schulentwicklung der Stadt Mannheim erläuterte die Chancen und Risiken eines „Datendialoges“ und der Einbindung von Akteuren, etwa über Beteiligungsformate wie Netzwerktreffen oder der öffentlichkeitswirksamen Präsentation der Ergebnisse von Bildungsberichten.
Eine solche Daten-PR gehört in der freien Wirtschaft längst zum Tagesgeschäft, wie Isabelle Ewald, Digital Communications Consultant beim Hamburger Handels- und Dienstleistungskonzern Otto Group, im Forum 1 zu berichten wusste. Bildungsdaten mit einer spannenden Story zu verknüpfen, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und sämtliche Visualisierungsregister zu ziehen, sind nachvollziehbare Anregungen – selbst wenn Bildungsmonitorern*innen in der kommunalen Praxis sicher nicht immer dieselben Ressourcen zur Verfügung stehen wie manch einem börsennotierten Unternehmen.
Der Blick über den Tellerrand
Die Fachforen haben jedoch ebenso wie die Vorträge des zweiten Konferenztages gezeigt, dass Ressourcen zur Aufbereitung von Daten zwar wichtig sind, Kommunen aber auch weitere Stellschrauben zur Verfügung stehen, um die Nutzung des Bildungsmonitorings zu befördern. Insbesondere der Dialog mit allen beteiligten Akteuren und die adressatengerechte, strategische Ausrichtung von Produkten sind zentrale Faktoren für die Wirkung und Rezeption von Bildungsdaten. Zur Frage, wie Daten wirksam werden und welche Möglichkeiten sich der datengesteuerten Verwaltung bieten, präsentierte Basanta Thapa vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT im Rahmen seines Vortrages eine Reihe von Strategien und Ansätzen, die dazu beitragen können, dass aus Daten schließlich Taten werden.
Dabei wurde deutlich: Im Bestreben, Bildungsdaten zum Wirken zu bringen, lohnt der Blick über den Tellerrand. Beispielsweise nach Bremen, wo eine evidenzbasierte Bildungsplanung längst gute Praxis ist. In ihrem Vortrag erläuterte Prof. Dr. Kerstin Schneider vom Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung außerdem, warum es wichtig ist, steuerungsrelevante, bildungspolitische Fragen mit Hilfe von Schülerindividualdaten zu beantworten.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass neue Perspektiven und Ansätze kreative Wege aufzeigen können, um Bildungsmonitoringergebnisse zu vermitteln. Selbst wenn der Praxistransfer nicht immer unmittelbar greifbar scheint, kommt ein Schaffensprozess in Gang, der zum Querdenken und zum konstruktiven, vielleicht auch kontroversen Austausch anregt. Diese positive Atmosphäre war in Berlin spürbar und daran können kommende Fachkonferenzen anknüpfen.
Das Team der Koordinierungsstelle Bildungsmonitoring freut sich auf ein Wiedersehen – im November 2020.
Programm
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Referentinnen und Referenten
Zahlreiche Bildungsakteure aus Wissenschaft und Kommunen boten vielfältige Einblicke in wissenschaftliche Erkenntnisse und die Praxis vor Ort.
Helena Horner, Leitung der Transferagentur Brandenburg
Dr. Katja Wolf, Leitung der Transferagentur Rheinland-Pfalz – Saarland
Dr. Thomas Greiner, Leiter Unterabteilung lebensbegleitendes Lernen, Bundesministerium für Bildung und Forschung
Rudolf Fries, Geschäftsführung, Kommunales Bildungsmanagement Rheinland-Pfalz – Saarland e.V.
Katrin Kantak, Geschäftsführung, kobra.net, Träger der Transferagentur Brandenburg
Data-Driven Storytelling für das Bildungsmonitoring
Prof. Dr. Stefan Brauckmann, Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung (IUS), Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Dr. Marcel Humar, Goethe-Gymnasium Berlin-Wilmersdorf
Bildungsmonitoring³ – Kommunikation. Rezeption. Datenbasierung.
Michael Fedler, Referat für strategische Planung, Landkreis Osnabrück
Florian Neumann, Leitung der Transferagentur Bayern Nord
Moderation: Dr. Klaus-Peter Meinerz, DLR-Projektträger
Visualisierung von Akteursnetzwerken in kommunalen Bildungslandschaften
Prof. Dr. Nina Kolleck, Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig
Wie Bildungsdaten wirksam werden: Möglichkeiten und Herausforderungen der datengesteuerten Verwaltung
Basanta Thapa, Kompetenzzentrum Öffentliche IT / ÖFIT
Schulstatistische Daten und ihr Weg in die Politik: Evidenzbasierte Planung in Bremen
Prof. Dr. Kerstin Schneider, Wuppertal Research Institute for the Economics of Education, Bergische Universität Wuppertal
Heilbronner Bildungsbericht 2018
Nadine Aker, Bildungsbüro Heilbronn
Erster Bildungsbericht des Landkreises Schwandorf
Franz Pfeffer, Landratsamt Schwandorf
Bildungsbericht kompakt
Sabrina Boenschen, Landkreis Uelzen
Datenbasierte Öffentlichkeitsarbeit im Bildungsmonitoring
Isabelle Ewald, Digital Communications Consultant, Otto Group
Von Daten zu Karten – Visualisierung von Geodaten im Bildungsmonitoring
Lutz C. Popp, Koordination Bildungsmonitoring, Stadt Bielefeld und Benjamin Harney, Bildungsmonitoring, Stadt Herne
Daten im Dialog – Einbindung von Akteuren ins Bildungsmonitoring
Heike Fleischmann, Abteilungsleitung Bildungsplanung / Schulentwicklung, Stadt Mannheim
Bildergalerie
Videopodcasts
Schulstatistische Daten und ihr Weg in die Politik - Prof. Dr. Kerstin Schneider
Interview mit Prof. Dr. Brauckmann: Data-Driven Storytelling
Wie Bildungsdaten wirksam werden - Basanta Thapa
Ansprechpartner
Standort Potsdam
kobra.net, Kooperation in Brandenburg, gemeinnützige GmbH
Benzstr. 8/9, 14482 Potsdam
Ansprechpartner:
Tim Siepke, Leitung
0331 / 2378 5331
info@kommunales-bildungsmonitoring.de
Standort Trier
Kommunales Bildungsmanagement Rheinland-Pfalz - Saarland e.V.
Domfreihof 1a | 54290 Trier
Ansprechpartner:
Dr. Tobias Vetterle, Leitung
0651 / 4627 8443
info@kommunales-bildungsmonitoring.de
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.