Die differenzierte Betrachtung von Fachkräfteangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt
Ein Missverhältnis zwischen vorhandenen Fachkräftebedarfen und -potenzialen wird zuallererst am Arbeitsmarkt sichtbar. Zeigen sich Diskrepanzen zwischen Fachkräfteangebot und -nachfrage, so gilt es diese differenziert zu untersuchen, um ein umfängliches Bild der Fachkräftesituation zu erhalten und im nächsten Schritt begründete Maßnahmen zur Fachkräftesicherung entwickeln zu können. Auf der folgenden Seite geben wir einen thematischen Überblick und empfehlen Herangehensweisen im kommunalen Bildungsmonitoring.
Für die Analyse von Engpassberufen stellt zudem ein Fachbeitrag der Fachstelle „Fachkräftesicherung/Bildung im Strukturwandel" (FaBiS) die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit und ihre Nutzbarkeit für das kommunale Bildungsmonitoring vor. Des Weiteren haben wir mit zwei regionalen Netzwerkbüros des Kompetenzzentrums „Bildung im Strukturwandel“ Interviews geführt. Im Interview mit dem Netzwerkbüro Bildung in der Lausitz wird der Mehrwert eines regionalen Monitorings bei der Bearbeitung der Fachkräftesicherung herausgestellt. Der Beitrag verdeutlicht, wie die hierfür erforderlichen Abstimmungsprozesse zwischen allen relevanten Akteuren aus Bildung und Arbeitsmarkt gelingen können. Das Netzwerkbüro Bildung Rheinisches Revier präsentiert im Interview einen fundierten methodischen Ansatz zur datengestützten Betrachtung künftig relevanter Berufsgruppen.
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
Analyse der Beschäftigungsstruktur
Neben der regelmäßigen Überprüfung der Beschäftigten- und Arbeitslosenquote ist die genaue Betrachtung der Beschäftigungsstruktur notwendig, um Ansatzpunkte zur Fachkräftesicherung zu identifizieren. Eine detaillierte Analyse der Qualifikationen sowie Pendlerbewegungen von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ermöglicht es, sowohl die aktuellen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu verstehen als auch ungenutzte Potenziale bestimmter Bevölkerungsgruppen zu identifizieren.

Fokus auf dominante Berufsbereiche und Engpassberufe legen
Die Identifikation dominanter Berufsbereiche und die Analyse von Engpassberufen sind zentral für die Ableitung effektiver Strategien zur Fachkräftesicherung. Ein wesentlicher Ausgangspunkt hierfür ist die Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf die verschiedenen Berufsbereiche, um kommunal bedeutsame Berufe zu identifizieren. Darüber hinaus liefern die Analyse von vakanten Stellen und deren Dauer bis zur Besetzung wichtige Erkenntnisse zur aktuellen und zukünftigen Arbeitsmarktsituation und helfen bei der Identifikation von Engpassberufen.
Künftig bedeutsame Berufsbereiche proaktiv fördern
Angesichts des Wandels der Arbeitswelt ist es entscheidend, frühzeitig Berufsfelder zu identifizieren, die zukünftig an Bedeutung gewinnen werden, um die Aus- und Weiterbildung an die Bedürfnisse einer zukunftsgerichteten Wirtschaftsstruktur anzupassen und eine langfristige Fachkräftesicherung zu gewährleisten. Dies erfordert sowohl eine kontinuierliche Beobachtung übergreifender Trends, die die Veränderung der Arbeitswelt beschreiben als auch eine argumentative Verknüpfung datengestützter Analysen mit den Zielsetzungen von Wirtschafts- und Beschäftigungsstrategien in der Region.
Fachkräftesicherung als regionale Entwicklungsaufgabe verstehen
Die Fachkräftesicherung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Akteuren aus Bildung und Arbeitsmarkt. Dabei sollten regionale Beschäftigungsstrukturen und gegebenenfalls existierende Fachkräftekräftestrategien sowie die Vernetzung mit benachbarten Kreisen und Städten berücksichtigt werden, um ganzheitliche und nachhaltige Fachkräftesicherungststrategien zu ermöglichen.
Beschäftigungsstruktur
Die Analyse der Beschäftigungsstruktur liefert wichtige Erkenntnisse für die Fachkräftesicherung. Um gezielte Maßnahmen zur Sicherung von Fachkräften, wie die bedarfsgerechte Anpassung von Aus- und Weiterbildungsangeboten, zu entwickeln, kann eine Vielzahl aussagekräftiger Kennzahlen ausgewertet werden. Kennzahlen zur Betrachtung der Beschäftigungsstruktur befassen sich in erster Linie mit der Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, ihrer Anzahl und unterschiedlichen differenzierenden Merkmalen, die z.B. die Qualifikationen oder das Pendlerverhalten der Beschäftigten in den Blick nehmen. Über die Betrachtung der arbeitslosen Bevölkerung können darüber hinaus ungenutzte Fachkräftepotenziale aufgedeckt werden.
Folgende Fragestellungen können dabei die Analyse der Beschäftigungsstruktur leiten:
- Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Gruppe der erwerbstätigen und der arbeitslosen Bevölkerung und welche Hinweise für die Fachkräftesicherung lassen sich gegebenenfalls durch die Analyse der Zusammensetzung beider Bevölkerungsgruppen ableiten?
- Welchen Einfluss haben Pendlerbewegungen auf die Fachkräftesituation der Kommune?
Die Beschäftigungsstatistik der BA liefert auf Grundlage des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung umfassende Daten zu den sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten. Im Detail sind den Sozialversicherungsnummern der Beschäftigten sämtliche Arbeitgebermeldungen chronologisch zugeordnet. Erfasst werden nicht nur Informationen wie z.B. Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit oder Wirtschaftszweig, sondern darüber hinaus auch der Arbeits- und der Wohnort (Bundesagentur für Arbeit 2022, S. 5), was eine differenzierte Analyse von arbeitsmarktbedingter Mobilität ermöglicht. Die Arbeitsmarktstatistik der BA informiert über die arbeitslose Bevölkerung Deutschlands. Die erhobenen personenbezogenen Merkmale ermöglichen es, die Gruppe der Arbeitslosenbevölkerung differenziert zu betrachten und so gegebenenfalls ungenutzte Fachkräftepotenziale sichtbar zu machen und passende Maßnahmen zu Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu entwickeln.
Neben den Statistiken der BA sind die Erwerbstätigenrechnung (ETR) des Statistischen Bundesamtes und die Pendlerrechnung der Länder weitere relevante Datenquellen zur Betrachtung der Arbeitsmarkt- und Fachkräftesituation. Die Erwerbstätigenrechnung (ETR) des Statistischen Bundesamtes ist Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Der ETR liegen mehrere erwerbsstatistische Datenquellen als Berechnungsbasis zugrunde. Die jährliche Pendlerrechnung der Länder befasst sich mit der erwerbsbedingten potenziellen Mobilität, deren Betrachtung im Kontext der Fachkräftesicherung unerlässlich ist. Sie beruht im Wesentlichen auf der Beschäftigungsstatistik der BA. Im Folgenden werden die genannten Datenquellen vorgestellt, der Zeitabstand der regelmäßigen Datenerhebungen bzw. der Veröffentlichung aktualisierter Daten (Periodizität) benannt und mögliche Datenzugänge präsentiert, die einen raschen Zugriff auf grundständige Informationen ermöglichen.
Tabelle 1: Datenquellen und -zugänge. Quelle: Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung der Länder“ 2023; Bundesagentur für Arbeit 2022; Bundesagentur für Arbeit 2023; Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) 2023; Statistisches Bundesamt 2022; eigene Darstellung
Einen Überblick darüber, welche Daten auf welcher räumlichen Bezugsebene für die jeweilige Datenquelle online verfügbar sind, gibt Tabelle 2. Neben der Website der BA stellt die Regionaldatenbank Deutschland eine weitere zentrale Bezugsquelle dar. Hierbei handelt es sich um eine Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die verschiedene Kennzahlen auf regionaler Ebene – teilweise auch auf Gemeindeebene – aus unterschiedlichen Statistiken bzw. Berechnungen vorhält.
Tabelle 2: Datenzugänge – Kennzahlen und interaktive Produkte. Quelle: Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung der Länder“ 2023; Bundesagentur für Arbeit 2022; Bundesagentur für Arbeit 2023; Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) 2023; Statistisches Bundesamt 2022; eigene Darstellung
Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
Um einen ersten Überblick über die genutzten und möglicherweise ungenutzten Fachkräftepotenziale einer Kommune zu erhalten, sollte zunächst betrachtet werden, wie hoch die Beschäftigtenquote, also der Anteil der Einwohner*innen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, ist und wie sich diese zur Arbeitslosenquote verhält. Die Betrachtung der kommunalen Beschäftigten- und Arbeitslosenquote im Zeitverlauf oder im Vergleich zum Bundesland ermöglicht eine fundierte Interpretation der Ergebnisse.
Bei einer vergleichsweise hohen oder im Zeitverlauf steigenden Arbeitslosenquote stellt sich z.B. die Frage, ob es in der Kommune oder Region zu wenige Arbeitsplätze gibt, oder ob eine hohe Arbeitslosenquote parallel zu einer hohen Fachkräftenachfrage am Arbeitsmarkt existiert. Sollte Letzteres der Fall sein, scheint es sinnvoll, ein tieferes Verständnis der Gruppe der arbeitslosen Bevölkerung zu erlangen und möglicherweise ungenutzte Arbeits- oder Fachkräftepotenziale sichtbar zu machen. Eine solche Untersuchung erleichtert u. a. die Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen zum Wiedereinstieg ins Erwerbsleben oder passgenauen Angeboten im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Deshalb ist es ratsam, einige soziodemografische Merkmale der arbeitslosen Bevölkerung, wie die berufliche Qualifikation, relevante Altersgruppen oder die Nationalität, zu analysieren. Soziodemografische Merkmale Beschäftigter können Hinweise darauf geben, welche Bedürfnisse, Anforderungen und Potenziale verschiedene Gruppen von Beschäftigten haben. Diese können z.B. bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder von Weiterbildungsangeboten berücksichtigt werden, um die Zufriedenheit von Fachkräften in ihrem Beruf zu erhöhen sowie neue Fachkräfte zu gewinnen. Sollte beispielsweise bei einer solchen Analyse ein hoher Anteil älterer Beschäftigter festgestellt werden, so sollten Maßnahmen, die den längeren Verbleib Älterer am Arbeitsmarkt unterstützen, mitgedacht werden. Diese können unterschiedlich ausgestaltet sein und z.B. flexible Arbeitszeitmodelle oder bestimmte berufliche Weiterbildungsmaßnahmen beinhalten. Folgende Merkmale ermöglichen eine differenzierte Betrachtung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (SvB):
- Alter
- Geschlecht
- Beschäftigungsumfang
- Qualifikationsniveau (berufsqualifizierender Abschluss)
- Anforderungsniveau des ausgeübten Berufs (Helfer- und Anlerntätigkeiten, fachlich ausgerichtete Tätigkeiten, komplexe Spezialist*innentätigkeiten, hoch komplexe Tätigkeiten)
- Lohnniveau
Sowohl für die Betrachtung der arbeitslosen Bevölkerung als auch für die Betrachtung der Struktur der SvB anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale bietet der zweite, im Jahr 2021 veröffentlichte Bildungsbericht des Landkreises Verden je ein anschauliches Beispiel:
Abbildung 1: Arbeitslosenquoten nach Personenmerkmalen und Ausbildungsstand im Landkreis Verden 2018 und 2020. Quelle: Thierbach 2021, S. 23
Abbildung 2: Struktur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis Verden 2015 und 2020. Quelle: Thierbach 2021, S. 18
Pendlerbewegungen
Die Untersuchung von kommunalen bzw. regionalen Pendlerbewegungen der erwerbstätigen Bevölkerung kann Aufschluss darüber geben, ob oder inwieweit ein Landkreis auf externe Fachkräfte angewiesen ist bzw. die „eigenen“ Fachkräfte an umliegende Kreise oder Städte verliert.
Maßnahmen zur Fachkräftesicherung auf Grundlage von Pendlerbewegungen können z.B. die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zur besseren Erreichbarkeit der Arbeitsplätze in der Kommune sein, um so die Attraktivität des Landkreises für einpendelnde Fachkräfte zu erhöhen. Nachfolgend werden einige zentrale Kennzahlen zur Betrachtung von Pendlerbewegungen vorgestellt (für eine Übersicht der entsprechenden Datenquellen und -zugänge siehe Tabelle 1 und 2 auf dieser Unterseite). In der untenstehenden Bildergalerie sind Beispiele aus kommunalen Bildungsberichten zu jedem der vorgestellten Analyseaspekte zu finden.
Für einen ersten Überblick über erwerbsbedingte Pendlerbewegungen sind die Zahlen der Ein- und Auspendler*innen sowie der Pendlersaldo grundlegend. Hier hilft ein Blick auf die vergangenen Jahre dabei, Entwicklungen in diesem Kontext zu erkennen. Ein Beispiel für die Darstellung dieser Kennzahlen im Zeitverlauf bietet der Bildungsbericht des Landkreises Ludwigslust-Parchim aus dem Jahr 2020 (siehe unten). Ein weiteres anschauliches Beispiel für eine solche Analyse findet sich im Fachkräftereport für den Landkreis Harburg aus dem Jahr 2023 (siehe unten). Anstatt „Pendlersaldo“ wird hier der Begriff „Pendlerbilanz“ verwendet. Auch die Beispiele für die folgenden beiden Analyseaspekte stammen aus dem Harburger Fachkräftereport.
Wird im ersten Analyseschritt deutlich, dass wesentlich mehr Erwerbstätige aus- als einpendeln, kann ein Blick auf die Auspendlerquoten der umliegenden Landkreise und Städte dabei helfen, die Ergebnisse für die eigene Kommune zu interpretieren und in einem regionalen Kontext einzuordnen.
Abschließend kann die Betrachtung der Pendlerbewegungen innerhalb der Kommune ein tieferes Verständnis davon ermöglichen, welche Gemeinden oder Städte bzw. Stadtteile potenziell besonders hohe Fachkräfteengpässe aufweisen könnten, da eine große Zahl der dort lebenden, erwerbstätigen Personen ihren Wohnort zum Arbeiten verlassen.
Abschließend kann die Betrachtung der Pendlerbewegungen innerhalb der Kommune ein tieferes Verständnis davon ermöglichen, welche Gemeinden oder Städte bzw. Stadtteile potenziell besonders hohe Fachkräfteengpässe aufweisen könnten, da eine große Zahl der dort lebenden, erwerbstätigen Personen ihren Wohnort zum Arbeiten verlassen.
Abbildung 3: Ein- und Auspendler*innen und Pendlersaldo in der Entwicklung im Landkreis, 2012 bis 2019 (jeweils Juni eines Jahres). Quelle: Landkreis Ludwigslust-Parchim 2020, S. 44
Abbildung 4: Pendlerbewegungen über Kreisgrenze 2022. Quelle: Cooper und Nordmann 2023, S. 15
Abbildung 5: Auspendlerquote 2022. Quelle: Cooper und Nordmann 2023, S. 14
Abbildung 6: Pendlerbewegungen in den Kommunen 2022. Quelle: Cooper und Nordmann 2023, S. 14
Dominante Berufsbereiche und Engpassberufe
Die Identifikation besonders relevanter Berufsbereiche und die Analyse von Angebot und Nachfrage in eben jenen Berufen liefern wichtige Informationen für kommunale Fachkräftesicherungsstrategien. Durch die Analyse der Berufsbereiche, in denen viele Einwohner*innen eines Landkreises arbeiten, können Schwerpunktbereiche identifiziert werden, in denen grundsätzlich eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften besteht. Dies bietet eine wichtige Grundlage, um Qualifizierungsmaßnahmen bedarfsgerecht auszurichten und sicherzustellen, dass die vorhandenen Arbeitskräfte über die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Dass auch die Analyse von Engpässen am Arbeitsmarkt zentral für die Ableitung von Maßnahmen zur Sicherung und ggfs. Anwerbung von Fachkräften ist, liegt auf der Hand. Hier können verschiedene Analysen dabei helfen, Berufe mit besonders gravierenden Engpässen zu identifizieren. Für die Identifikation von sowohl dominanten Berufsbereichen als auch von Engpassberufen, werden im Folgenden einige zentrale Kennzahlen sowie entsprechende kommunale Beispiele präsentiert. Für die Analyse von Engpassberufen wird außerdem die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit und ihre Nutzbarkeit für das kommunale Bildungsmonitoring in einem Fachbeitragder Fachstelle „Fachkräftesicherung/Bildung im Strukturwandel" (FaBiS) vorgestellt.
Folgende Fragestellungen können dabei die Analyse leiten:
- In welchen Berufen arbeiten besonders viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte?
- In welchen Berufen zeigen sich Fachkräfteengpässe?
Identifikation dominanter Berufsbereiche
Ausgangspunkt für die Identifikation kommunal bedeutsamer Berufe ist die Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen (SvB) auf die verschiedenen Berufsbereiche. Dazu können unterschiedliche Berufsklassifikationen verwendet werden: Neben der Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit (KldB 2010, überarbeitete Fassung 2020) ist die Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) eine weitere Gliederungsmöglichkeit für berufliche Tätigkeiten. Der Bildungsbericht des Landkreises Ludwigslust-Parchim verwendet die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Analyse der Verteilung der SvB (siehe Abbildung 7).
Lassen sich anhand der Verteilung der SvB zentrale Wirtschaftszweige für die Kommune identifizieren, kann im nächsten Schritt betrachtet werden, ob sich für das umliegende Bundesland ein ähnliches Bild abzeichnet, oder ob die relevanten Berufsbereiche eher ein Alleinstellungsmerkmal bzw. eine regionale Besonderheit des Landkreises bzw. der kreisfreien Stadt darstellen. Die Analyse des Beschäftigungsanteils in verschiedenen Berufszweigen im Vergleich zum Bundesland kann z.B. Hinweise darauf geben, in welchen Berufsfeldern der Landkreis überdurchschnittlich gut aufgestellt ist und welche Potenziale noch nicht ausgeschöpft sind. Dies hilft bei der gezielten Förderung von Schlüsselbranchen und der Entwicklung von Strategien zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Das nachfolgende Analysebeispiel aus dem Fachkräftereport für den Landkreis Harburg illustriert dieses Vorgehen (siehe Abbildung 8).
Abbildung 7: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Arbeitsort im Landkreis nach Wirtschaftszweigen. Quelle: Landkreis Ludwigslust-Parchim 2020, S. 44-45
Abbildung 8: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftszweigen im Landkreis und im Bundesland. Quelle: Cooper und Nordmann 2023, S. 9
Identifikation von Engpassberufen
Zur Identifikation von Engpassberufen rücken vakante Arbeitsstellen ins Zentrum der Betrachtung. Ebenfalls im Fachkräftereport für den Landkreis Harburg finden sich drei Analysen, die sich mit unbesetzten Stellen, also der Nachfrage am Arbeitsmarkt, befassen und im Folgenden als Beispiel für die Identifikation von Engpassberufen herangezogen werden.
Die Entwicklung der vakanten Stellen hilft dabei, festzustellen, wie groß das Ausmaß des Fachkräftebedarfs aktuell insgesamt ist. Eine zusätzliche Gliederung nach Anforderungsniveau vermittelt einen Eindruck darüber, für welches Qualifikationsniveau die meisten zu besetzenden Stellen vorhanden sind.
Einen Hinweis darauf, in welchen Berufen der Fachkräftebedarf am höchsten ist, gibt die Analyse der vakanten Stellen nach Berufsgruppen. Auch hier hilft die Differenzierung nach Anforderungsniveaus (hier Fachkräftestellen und Stellen insgesamt) bei der Beantwortung der Frage, ob es sich tatsächlich um einen Fachkräftebedarf handelt oder ob die Engpässe sich eher auf anderen Anforderungsniveaus zeigen.
Die Vakanzzeit befasst sich mit dem Zeitraum zwischen der Ausschreibung einer Stelle und dem Zeitpunkt der gelungenen Stellenbesetzung (erfasst über die Meldung bei der BA). Ein besonders langer Zeitraum weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung gab und dementsprechend ein Fachkräfteengpass vorliegen könnte. Im Fachkräftereport wird die durchschnittliche Vakanzzeit im Landkreis mit den Vakanzzeiten des Bundeslandes und Deutschlands verglichen.
Abbildung 9-11: Analyse vakanter Stellen im Fachkräftereport für den Landkreis Harburg. Quelle: Cooper und Nordmann 2023, S. 17-19
Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit
Die Vakanzzeit spielt auch als einer der zentralen Indikatoren der Engpassanalyse der BA eine entscheidende Rolle. Was sich genau hinter der Engpassanalyse verbirgt und wie Bildungsmonitorer*innen diese für sich nutzbar machen können, wird in einem Beitrag der Fachstelle "Fachkräftesicherung / Bildung im Strukturwandel" (FaBiS) erläutert.
Tipp: Der Jobmonitor - Regionale Arbeitsmarktnachfrage im Überblick
Einen Überblick über die aktuelle kommunale Arbeitsmarktnachfrage bietet die Website Jobmonitor.de. Jobmonitor.de ist ein Projekt der Bertelsmann Stiftung, das deutschlandweit Stellenausschreibungen auswertet. Mithilfe verschiedener Algorithmen werden Stellenausschreibungen untersucht und Analysen zu Berufen, Soft Skills und Teilqualifikationen erstellt. Die Ergebnisse dieser Analysen sind als interaktive Auswertungen auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte abrufbar (Regionenreport). Für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt werden monatlich die Anzahl der Stellenausschreibungen, die Anzahl der Stellenausschreibungen pro 100.000 Beschäftigte, die Veränderung der Anzahl ausgeschriebener Stellen im Vergleich zum Vormonat und zum Vorjahresmonat sowie eine Rangliste der meistgesuchten Berufe, Soft Skills und Teilqualifikationen ausgegeben.

Identifikation und Analyse künftig bedeutsamer Berufsbereiche
Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Arbeitswelt ist es mit Blick auf tragfähige Fachkräftesicherungskonzepte bedeutsam, diejenigen Berufsfelder zu identifizieren, die für die regionale Wirtschaft und Gesellschaft besonders an Bedeutung gewinnen werden und in denen ein hoher Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu erwarten ist. So können beispielsweise Aus- und Weiterbildungsangebote in besonders zukunftsrelevanten Berufsbereichen initiiert oder verstärkt gefördert werden. Durch eine gezielte Analyse dieser Berufsbereiche anhand folgender Fragestellungen können Strategien und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung unterstützt werden:
- Welche Berufe werden künftig gebraucht?
- Welche Bedeutung haben diese in regionalen Fachkräftestrategien?
- Wie sieht die Fachkräftesituation in diesen Berufen aus?
- Welche Unterschiede zeigen sich zwischen aktueller und künftig relevanter Beschäftigungsstruktur?
Vorausschauendes Bildungsmonitoring zur Fachkräftesicherung im Kreis Lippe
Um künftig relevante Berufsbereiche zu identifizieren, gilt es, neben der Verteilung der Beschäftigten auf verschiedene Branchen oder Berufe, weitere Anhaltspunkte in den Blick zu nehmen. Der Bildungsbericht des Kreises Lippe aus dem Jahr 2023 liefert ein Beispiel.
Um die Analyse im Rahmen des Bildungsberichts auf aktuell und künftig bedeutsame Berufsbereiche zu konzentrieren, wurden
- die im Wirtschaftsförderungskonzept für den Kreis Lippe im Rahmen einer Standort- und Kompetenzfeldanalyse definierten Schwerpunktfelder der lippischen Wirtschaft sowie
- drei weitere, begründet gewählte Wirtschaftsbereiche in die Betrachtung mit aufgenommen. Diese sind:
- Metallbereich: beschäftigungsintensiver Bereich, Fokus einiger Projekte zur Ausbildungsförderung
- Gesundheits- und Pflegeberufe: wachsender Anteil älterer Menschen
- Erziehung und Unterricht: wachsender quantitativer wie qualitativer Anspruch an die Betreuungen und Bildung junger Menschen (Böhm-Kasper und Rempe 2023, S.31)
Die nebenstehende Abbildung zeigt die so identifizierten Wirtschaftsbereiche und ihre Zuordnung zu den jeweiligen Wirtschaftsabschnitten entsprechend der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008.
Die Fachkräftesituation wird in den so ausgewählten Wirtschaftsbereichen bzw. den entsprechenden Wirtschaftsabschnitten daraufhin anhand verschiedener Analyseergebnisse präsentiert (siehe ebd., S. 32-34). Diese sind:
- Beschäftigungsentwicklung (Beschäftigtenzahlen für 2018 und 2021 sowie Zuwachs/Reduktion in diesem Zeitraum)
- Qualifikationsniveaus der Beschäftigten
- Altersstruktur der Beschäftigten
Abbildung 12: Bedeutsame Wirtschaftsbereiche im Kreis Lippe. Quelle: Böhm-Kasper und Rempe 2023, S. 31

WEITERLESEN
Im Interview mit der KOSMO spricht Bildungsmonitorerin Dr. Claudia Böhm-Kasper über die Bildungsberichterstattung im Kreis Lippe und die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen.
Fokusberufsgruppen und Berufsgruppenprofile im Rheinischen Revier
Dr. Rabea Pfeifer und Bernhard Hübers vom Netzwerkbüro Bildung Rheinisches Revier als Teil des Kompetenzzentrum „Bildung im Strukturwandel“ haben eine Methode zur Identifikation von Fokusberufsgruppen und der Analyse dieser durch eine Gegenüberstellung der Beschäftigungs- mit der Ausbildungssituation in der jeweiligen Berufsgruppe entwickelt. Ausgangspunkt für ihr Vorhaben ist die Fragestellung, welche Fachkräfte für die Transformation zur Green Economy benötigt werden und ob diese bereits in der Region vorhanden sind oder ausgebildet werden müssen.
Im Interview mit der KOSMO haben sie über ihr methodisches Vorgehen, welches sowohl eine Literaturanalyse als auch eine Arbeitsmarktrelevanzanalyse beinhaltet, und dessen Übertragbarkeit auf (andere) kommunale Kontexte berichtet.
Regionales Bildungsmonitoring und Fachkräftestrategien in der Lausitz
Das Netzwerkbüro Bildung in der Lausitz ist ebenfalls Teil des Kompetenzzentrums „Bildung im Strukturwandel“ und dadurch gleichermaßen mit der Fachkräftesicherungsthematik befasst. Die Publikation„Fachkräftesicherung durch Bildung im Lausitzer Strukturwandel“ (Werchosch 2022) befasst sich in einem Kapitel mit künftig erwartbaren Arbeitskräftebedarfen in der Region Lausitz (ebd., S. 23-33). Auf der Grundlage bereits identifizierter Berufe mit regionaler Relevanz und gegenwärtiger Arbeitskräftebedarfe (ebd., S. 8-22) werden auf der Ebene der Berufshauptgruppen (KldB 2010, überarbeitete Fassung 2020) verschiedene (Risiko-)Faktoren betrachtet, die auf künftige Arbeitskräftebedarfe hinweisen können:
- Demografiebedingte Ersatzbedarfe
Anzahl sowie Anteil an SvB zwischen 55 Jahren und der Regelaltersgrenze - Wachsende Berufshauptgruppen
durchschnittlicher SvB-Zuwachs pro Jahr im Zeitverlauf - Maßnahmen, Leitbilder und handlungsweisende Strategiepapiere
qualitative Analyse von aktuellen Maßnahmen und zukunftsweisenden Strategien zur Fachkräftesicherung in der Region
Die qualitative Analyse von bereits vorhandenen Strategiepapieren, Leitbildern oder Maßnahmen zur Fachkräftesicherung einer Region liefert hier ergänzend zu den quantitativen Betrachtungen relevante Informationen über gewünschte und/oder geförderte Entwicklungen in der Arbeits- und Wirtschaftswelt. Sie weist auf Berufe und Tätigkeitsfelder hin, die künftig oder weiterhin an Relevanz gewinnen sollten (für eine Übersicht der Analyseergebnisse siehe: ebd., S. 33). Wie die Region Lausitz haben oftmals auch Kommunen, die nicht vom Strukturwandel geprägt sind, bereits vorhandene Strategien, Kampagnen oder Netzwerke, die es im Kontext des Bildungsmonitorings zu berücksichtigen gilt, um ein umfassendes Bild der Fachkräftelandschaft zu generieren (bspw. Fachkräftestrategie Region Fulda, Wachstumsregion Ems-Achse e.V. – Emsachse und Zukunftsachse, Fachkräftenetz Lippe, Fachkräfteinitiative im Nationalparklandkreis Birkenfeld – Kampagne „deinBIR“ und „unserBIR“, das Programm „Land.Zuhause.Zukunft – Gestaltung von migrationsbedingter Vielfalt in ländlichen Räumen“ im Landkreis Bernkastel-Wittlich).
Die enge inhaltliche Verzahnung von Bildung und Arbeitsmarkt im Themenfeld der Fachkräftesicherung führt zu einer Vielzahl von Akteuren, die in diesem Bereich aktiv sind. Zuständigkeiten und Steuerungsebenen sind oft nicht klar voneinander abgrenzbar, da die Herausforderungen und Lösungsansätze sowohl bildungs- als auch arbeitsmarktpolitische Aspekte umfassen. Hinzu kommt, dass die Fachkräftesituation einer Kommune – insbesondere im ländlichen Raum – häufig und nicht zuletzt durch Pendlerverflechtungen von der Arbeitsmarktstruktur der umliegenden Kreise und/oder kreisfreien Städte beeinflusst wird. Diese regionale Perspektive bringt weitere Akteure auf das Spielfeld der Fachkräftesicherung. Neben Fachkräftestrategien und -netzwerken gewinnt dadurch auch ein Bildungsmonitoring, welches den Blick über den eigenen kommunalen Tellerrand wagt und so regionale Fachkräftestrukturen berücksichtigt, an Bedeutung.
Daniel Werchosch, stellvertretender Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Netzwerkbüros Bildung in der Lausitz, hat die Bedeutung einer regionalen und arbeitsmarktorientierten Herangehensweise im Bildungsmonitoring für die Entwicklung zukunftsfähiger Fachkräftestrategien am Beispiel der Region Lausitz in einem Interview für die KOSMO erläutert.
Ansprechpartnerin

Katharina Kleinaltenkamp
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Standort Potsdam
kobra.net, Kooperation in Brandenburg, gemeinnützige GmbH
Benzstr. 8/9, 14482 Potsdam
Ansprechpartner:
Tim Siepke, Leitung
0331 / 2378 5331
info@kommunales-bildungsmonitoring.de
Standort Trier
Kommunales Bildungsmanagement Rheinland-Pfalz - Saarland e.V.
Domfreihof 1a | 54290 Trier
Ansprechpartner:
Dr. Tobias Vetterle, Leitung
0651 / 4627 8443
info@kommunales-bildungsmonitoring.de
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.