Fachkräftesicherung als Thema kommunaler Bildungsstrategien
Fachkräftesicherung ist eine Kernherausforderung der Kommunalentwicklung. Aber ist sie auch zugleich Gegenstand kommunaler Bildungsstrategien? Bislang stützen sich kommunale Analysen und verfügbare Orientierungshilfen vor allem auf die aktuellen Engpässe am Arbeitsmarkt. Denn hier wird die Gemengelage aus Fachkräfteengpässen und -bedarfen unmittelbar ersichtlich.
Für ein umfassendes Bild des komplexen Themas bedarf es jedoch einer datengestützten und argumentativen Verknüpfung möglicher Mechanismen, die eine künftige Fachkräftesituation bestimmen. Und zudem müssen diejenigen Stellschrauben in den Fokus gerückt werden, die auch durch eine systematische Bildungsgestaltung beeinflusst werden können.
Die Faktoren, die die Situation am Arbeitsmarkt maßgeblich beeinflussen, sind in der nachfolgenden Abbildung aufgeführt. Sie stellen Anknüpfungspunkte für Fachkräftestrategien und dementsprechend auch Analyseperspektiven für eine datengestützte Auseinandersetzung mit dem Themenfeld dar. Zu unterscheiden sind die Einflussfaktoren in:
- quantitative Fachkräftepotenziale, die sich aus den Erwerbspersonen und Bildungsteilnehmer*innen ergeben, die dem Arbeitsmarkt und Ausbildungssystem zu Verfügung stehen (blau hinterlegt)
- qualifikatorische Fachkräftepotenziale, die sich aus den während der Bildungsetappen erworbenen beruflich relevanten Abschlüssen und angeeigneten Kompetenzen ergeben (grün hinterlegt)
Abbildung: zentrale Einflussfaktoren der kommunalen Fachkräftesituation, eigene Darstellung
Der Einteilung in zwei Einflussbereiche auf die Fachkräftesituation liegen folgende Perspektiven zugrunde:
Steigende quantitative Nachfrage von Arbeits- und Fachkräften aufgrund demografischer Entwicklungen
Die Anzahl derjenigen, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden, übersteigt die Anzahl der Eintretenden um ein Vielfaches. Die Alterung der Bevölkerung steigert die Fachkräftebedarfe maßgeblich und erhöht zudem den Bedarf an Fachkräften in Gesundheits- und Pflegeberufen. Ansatzpunkte, den Herausforderungen entgegenzutreten, werden in der Verlängerung der Erwerbsdauer, steigenden Erwerbsquoten, in der Reduzierung von Teilzeitbeschäftigung (insbesondere durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf) und in einer gezielten Zuwanderung gut qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland gesehen. Obschon hiermit zentrale Herausforderungen und Ansatzpunkte markiert sind, liegen sie in der Regel außerhalb des Einflussbereiches kommunaler Bildungsstrategien.
Veränderte Qualifikationsanforderungen aufgrund gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Transformationen
Fachkräfteengpässe - also das Missverhältnis von qualifikatorischen Anforderungen des Arbeitsmarktes und Voraussetzungen aktueller und künftiger Arbeitnehmer*innen (Hagemeier 2022; Kettner 2012) – sind bundesweit festzustellen (Bundesagentur für Arbeit 2023). Aktuelle gesellschaftliche und arbeitsmarktpolitische Transformationen, wie die voranschreitende Digitalisierung und die angestrebte Energiewende, führen zu einem beschleunigten Aufwuchs von neuen Berufsfeldern und zugleich zu einer substanziellen Veränderung bestehender Tätigkeitsbereiche. Der Bedarf an gut qualifizierten und sich fortlaufend qualifizierenden Fachkräften wächst. Dem stehen sinkende durchschnittliche Leistungen der Schüler*innen gegenüber. Insbesondere Schüler*innen aus sozial belasteten Haushalten und mit Migrationshintergrund bedürfen einer verstärkten, gezielten Förderung, um einerseits einem prognostizierten Überangebot an gering Qualifizierten und einer Lücke an Hochqualifizierten vorzubeugen und andererseits allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen verlässliche Berufs- und Teilhabechancen zu eröffnen (Weishaupt 2023).
Die Qualifizierung und Nachqualifizierung von Personen mit und ohne abgeschlossene Berufsausbildung (Schludi et al. 2018) im Sinne eines zukunftsgerichteten und stetig erweiterbaren Kompetenzerwerbs sind wichtige Stellschrauben der Fachkräftesicherung. Gegenüber einem demografisch bedingten Fachkräftemangel können Kommunen durch zielgerichtete Investitionen und eine weitsichtige Gestaltung von (Aus-)Bildungswegen einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. In dieser Hinsicht ist es auch ratsam entgegen einer begrifflichen Engführung des Fachkräftebegriffs sämtliche Anforderungsniveaus im Sinne der überarbeiteten Klassifikation der Berufe 2010: „Helfer- und Anlerntätigkeiten“, „Fachlich ausgerichtete Tätigkeiten“, „Komplexe Spezialistentätigkeiten“ und „Hoch komplexe Tätigkeiten“ (Bundesagentur für Arbeit 2021, S. 26 f.) in den Blick zu nehmen, um tatsächlich qualifikatorische Potenziale und Hemmnisse zu identifizieren.

Qualifizierungsprozesse im Kontext der Fachkräftesicherung
Im Kontext dynamischer Qualifikationsanforderungen stehen die auf den Erwerb von beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen gerichteten Bildungsangebote und -prozesse im Fokus. Die inhaltliche und infrastrukturelle Weiterentwicklung und die Qualitätssicherung folgender berufsbezogener Angebote können dabei Anknüpfungspunkte hilfreicher Bildungsstrategien bieten:
- berufliche Orientierung und weitere berufsbezogene Angebote an allgemeinbildenden Schulen und außerschulischen Lernorten – insbesondere zur Erhöhung der Berufswahlkompetenz
- berufliche Aus- und Weiterbildung – insbesondere Bildungsgänge für Berufe oder Tätigkeiten, die
- durch die Alterung der Bevölkerung an Bedeutung gewinnen,
- mit dem Kompetenzerwerb Lernender betraut sind (insb. pädagogische Berufsfelder),
- durch Digitalisierung, Energiewende oder Strukturwandel neu entstehen oder sich verändern.
- berufliche Fort- und Weiterbildung – insbesondere zur
- Re-/Qualifizierung älterer Erwerbstätiger,
- Qualifizierung von Zugewanderten,
- Nachqualifizierung von gering Qualifizierten Personen, um einen (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben zu ermöglichen.
Bildungsprozesse, die Individuen darin unterstützen, den sich verändernden Anforderungen in der Erwerbswelt gerecht zu werden, müssen sich nicht immer explizit auf berufliche Qualifikationen oder Tätigkeiten beziehen. Bereits frühe Bildungsprozesse in Kita und Schule, welche die Entwicklung von Vorläufer- und Basiskompetenzen unterstützen, sind von großer Relevanz für spätere, berufsbezogene Lernprozesse sowie für die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Herausforderungen in der Arbeitswelt. Auch non-formale und informelle Lernprozesse können, sowohl mit als auch ohne expliziten Bezug zu beruflichen Anforderungen, die Steigerung beruflicher Kompetenzen begünstigen.
Dr. Rabea Krätschmer-Hahn, Abteilungsleiterin Grundsatz und Planung am Amt für Soziale Arbeit, erläutert im Bimotalk-Videointerview, wie in der Landeshauptstadt Wiesbaden daran gearbeitet wird, Jugendliche und Erwachsene niedrigschwellig, ressourcenorientiert und motivationsfördernd in Aus- und Weiterbildung zu bringen und ihnen Perspektiven für den den Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Die Besonderheit in Wiesbaden: Mit der Fachstelle Jugendberufshilfe gibt es eine zentrale Einrichtung, die mit der Schulsozialarbeit, dem Fallmanagement Jugend aus dem kommunalen Jobcenter sowie der Sozialplanung drei Rechtskreise übergreift. Diese enge Zusammenarbeit kommt auch dem Bildungsmonitoring zugute. Durch ein Matching von bestimmten Faktoren und Kriterien können datengestützt passgenaue Angebote für die jeweilige Zielgruppe entwickelt werden.
Ansprechpartnerin

Katharina Kleinaltenkamp
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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kobra.net, Kooperation in Brandenburg, gemeinnützige GmbH
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Tim Siepke, Leitung
0331 / 2378 5331
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Domfreihof 1a | 54290 Trier
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Dr. Tobias Vetterle, Leitung
0651 / 4627 8443
info@kommunales-bildungsmonitoring.de
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.