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Im Interview

Bildungsmonitorerin Dr. Claudia Böhm-Kasper über die Bildungsberichterstattung im Kreis Lippe und die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen.

[KOSMO]: Frau Dr. Böhm-Kasper, warum hat sich der Kreis Lippe für die Einrichtung eines Bildungsmonitorings entschieden und wie ist dessen dauerhafte Etablierung gelungen?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Der Kreis Lippe hat im Jahr 2009 über das Bundesprogramm “Lernen vor Ort” die Möglichkeit bekommen, eine Stelle für das Bildungsmonitoring einzurichten. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits erste Ansätze der Bildungsberichterstattung, insbesondere im Bereich der beruflichen Bildung.

Diese frühen Ansätze waren allerdings meist von schwierigen Diskussionen begleitet. Deshalb wollten wir das Bildungsmonitoring insgesamt breiter aufstellen, die Kommunikation professionalisieren und mit Blick auf die fachbereichsübergreifende Kommunikation auch andere Bildungsakteure stärker einbeziehen.

Die Hausspitze hat das von Anfang an stark unterstützt. Letztlich ist die dauerhafte Etablierung des Bildungsmonitorings sicherlich auch gelungen, indem die vorgelegten Produkte das Informationsbedürfnis befriedigt haben, aber auch die Diskussionen in den Gremien und Ausschüssen deutlich versachlichen konnten.

[KOSMO]: Wo wir bei Gremienarbeit sind – welche Rolle spielen denn Kooperationsstrukturen im Kreis Lippe?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Man muss ganz klar sagen, dass die enge Kooperation zwischen Bildungsakteuren im Kreis Lippe eine ganz entscheidende Rolle spielt.  Der Kreis hat das Thema bereits 2008 aufgegriffen und ein großes regionales Bildungsnetzwerk hier in der Region etabliert. Ein erster wichtiger Schritt dabei war die Gründung einer Bildungsgenossenschaft, also einer regionalen Bildungsförderungsgesellschaft mit breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft. Im Jahr 2009 wurde dann das Bildungsbüro eingerichtet und seit dieser Zeit arbeiten diese beiden Institutionen eng zusammen, um gemeinsam das regionale Bildungsnetzwerk voranzubringen.

Dem Bildungsmonitoring kommt dabei eine sehr aktive Funktion zu, indem in den Gremien und im Rahmen der Steuerungsstrukturen regelmäßig über Ergebnisse berichtet wird, Daten und Bedarfe abgefragt werden und die Akteure in einem ständigen Austausch sind.

Dabei ist wichtig, dass die Zusammenarbeit, beispielsweise in Form der Bereitstellung von Daten, keine Einbahnstraße ist, sondern das Bildungsmonitoring auch Daten aus anderen Bereichen geliefert bekommt.

Man muss vielleicht ganz pragmatisch sagen, dass das Bildungsmonitoring per se natürlich keine Probleme löst. Ganz wichtig aber ist, dass das Bildungsmonitoring Prozesse anstoßen kann.

Dr. Claudia Böhm-Kasper

Bildungsmonitoring (Fachdienst Bildung)

Felix-Fechenbach-Str. 5
32756 Detmold

[KOSMO]Welche Maßnahmen befördern konkret die Zusammenarbeit des Bildungsmonitorings mit anderen Fachbereichen sowie mit Akteuren außerhalb der Verwaltung?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Das Bildungsmonitoring ist im Kreis Lippe eng in die Steuerungsstrukturen des regionalen Bildungsnetzwerks eingebunden und findet sich als Querschnittsaufgabe im Organigramm. Auf diese Weise ist in allen Gremien und Arbeitsgruppen eine gewisse Sichtbarkeit gewährleistet. Wir zeigen mit dem Bildungsmonitoring also Präsenz, berichten fortlaufend über Trends und Entwicklungen und sind in der Lage, aktuelle Themen aufzugreifen.

Mit dem Bildungsmonitoring sind wir beispielsweise im Lenkungskreis regelmäßig vertreten und in verschiedene Fachausschüsse eingebunden. Zudem organisieren wir den Arbeitskreis Schulentwicklung mit den lippischen Schulträgern, fördern damit aktiv die Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden und bedienen kommunale Datenbedarfe.

Dabei sind die anderen Fachbereiche sowie Akteur:innen außerhalb der Verwaltung immer über die Rolle des Bildungsmonitorings informiert. Was haben die beteiligten Akteure davon, wenn sie Daten an das Bildungsmonitoring liefern? Wofür werden die Daten erhoben und was passiert konkret mit den Daten?

Es ist wichtig, dass alle das Bildungsmonitoring als gemeinsame Sache begreifen und dass auch ein Bildungsbericht als gemeinsames Projekt verstanden wird, von dem am Ende jeder profitiert. Das ist uns im Kreis Lippe gelungen. Bildungsakteur:innen aus verschiedenen Bereichen zitieren unsere Bildungsprodukte regelmäßig und verwenden die Ergebnisse für ihre Arbeit.

[KOSMO]Das Bildungsmonitoring ist im Bildungsnetzwerk also eine Art Schnittstelle zwischen den verschiedenen Fachbereichen?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Ja, das Bildungsmonitoring wird als fester Bezugspunkt verstanden, an dem die Dinge zusammenlaufen. Die Bildungsakteure haben oft nur einen kleinen Ausschnitt aus ihrem eigenen Datenfeld zur Verfügung. Im Bildungsmonitoring haben wir die Möglichkeit, das Gesamtbild und die Zusammenhänge zu betrachten.

Wenn wir beispielsweise in den Bereich der beruflichen Bildung gehen, dann haben die Kammern zwar die Zahlen zur Entwicklung ihrer Ausbildungsverhältnisse. Wir können aber noch einmal viel stärker zeigen, was Jugendliche eigentlich bewegt und motiviert. Wie gelingen die Übergänge, welche Hürden bestehen und wie sieht es an den Berufskollegs aus?

Dem Bildungsmonitoring kommt eine sehr aktive Funktion zu, indem in den Gremien und im Rahmen der Steuerungsstrukturen regelmäßig über Ergebnisse berichtet wird, Daten und Bedarfe abgefragt werden und die Akteure in einem ständigen Austausch sind.

[KOSMO]Die Bildungsberichterstattung im Kreis Lippe setzt sich aus verschiedenen Formaten zusammen, darunter Faktenchecks und der klassische Bildungsbericht. Welchen Zweck erfüllen die verschiedenen Formate in Ihrem Produktportfolio?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Die oft angesprochene Steuerungsrelevanz können wir mit dem Bildungsbericht, der eher den Charakter eines Nachschlage- und Überblickswerks hat, noch nicht wirklich erzeugen. Um Handlungsbedarfe zu identifizieren, nutzen wir detaillierte Analysen, die wir dann in den Gremien und Arbeitskreisen präsentieren, immer zugeschnitten auf die jeweiligen Zielgruppen oder eben auch auf die spezifischen Themen, beispielsweise im Übergang Schule-Beruf oder der Sprachentwicklung.

Darüber hinaus haben wir einen Faktencheck, den wir jährlich erstellen. Dieser Faktencheck nimmt insbesondere auf unsere Handlungsfelder im regionalen Bildungsnetzwerk Bezug, die wir hier datengestützt abbilden. Neben einigen grundständigen Informationen zu den Rahmenbedingungen zeigen wir Trends u. a. bei der demografischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung auf, die leicht lesbar in Form von Pfeilsymbolen dargestellt werden. Obwohl dieses Produkt ursprünglich nur für die Politik mit ihrem fortlaufenden Informationsbedarf entwickelt wurde, stößt der Faktencheck inzwischen auch auf ein immer größeres Echo in der Region und in unserem Netzwerk.

[KOSMO]Ihr Portfolio wird durch Kommunalprofile komplettiert. Wie funktionieren diese Profile?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Die Kommunalprofile erstellen wir für die Städte und Gemeinden, die in sogenannte Kommunalgespräche eingebunden sind. Darin betrachten wir gemeinsam mit den Bildungsverantwortlichen vor Ort die kommunale Bildungssituation, sprechen über die Rolle des regionalen Bildungsnetzwerks und nehmen natürlich auch Bezug auf die lokalen Besonderheiten. Wir haben 16 kreisangehörige Städte und Gemeinden. Da stellt sich die Situation an vielen Stellen sehr unterschiedlich dar. Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, haben wir die Kommunalprofile entwickelt.

Diese würden den Bildungsbericht überfrachten, weshalb wir sie ausgeklammert und individuell behandelt haben. So können wir mit dem Bildungsmonitoring lokale Bedarfe und Fragestellungen besser aufgreifen.

Es ist wichtig, dass alle das Bildungsmonitoring als gemeinsame Sache begreifen und dass auch ein Bildungsbericht als gemeinsames Projekt verstanden wird, von dem am Ende jeder profitiert.

[KOSMO]Inwieweit greifen Sie mit dem Bildungsmonitoring aktuelle Herausforderungen wie die Corona-Pandemie oder Flüchtlingsbewegungen auf?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben wir geschaut, wie sich beispielsweise die Schulschließungen auf unsere Kennzahlen auswirken, die wir im Zeitverlauf betrachten. Die Analyse aktueller Entwicklungen ist also eingebunden in eine kontinuierliche Beobachtung und wir orientieren uns an Abweichungen zu den ganz grundlegenden Trends.

Bezogen auf die aktuelle Flüchtlingskrise gibt es einen akuten und schnellen Datenbedarf, etwa bei der Schulentwicklungsplanung. Diesen kann das Bildungsmonitoring bedienen, indem wir z. B. einen Überblick schaffen, wie viele Kinder aus der Ukraine in den Landkreis kommen, wo sie ihren Wohnsitz haben werden und wo wir Schulplätze, Ganztagsangebote und weitere Bildungsangebote brauchen.

[KOSMO]Was konnte denn konkret durch das Bildungsmonitoring im Kreis Lippe bewegt werden?

[Dr. Claudia Böhm-Kasper]: Da muss man vielleicht ganz pragmatisch sagen, dass das Bildungsmonitoring per se natürlich keine Probleme löst. Ganz wichtig aber ist, dass das Bildungsmonitoring Prozesse anstoßen kann und dass es oft die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit Problemen ist.

Ein Beispiel dafür ist die Gestaltung und Entwicklung der Förderschullandschaft vor einigen Jahren, wo wir mit den Städten und Gemeinden gemeinsame Empfehlungen entwickelt haben. Diese wurden auf der Grundlage von Datenanalysen getroffen, in deren Rahmen wir für den Kreis insgesamt die Entwicklungen beobachtet und prognostiziert haben und dann bestimmte Handlungsoptionen abgeleitet haben. Diese konnten die Städte und Gemeinden aufgreifen und mussten somit keine eigene Entwicklungsplanung im Bereich der Förderschulen betreiben.

Ein weiteres Beispiel ist unser Monitoring zur Digitalisierung. Hier gibt es einen großen Daten- und Informationsbedarf der Bürgermeister:innen, um einen Überblick zu gewinnen, wo die Stadt oder Gemeinde eigentlich bei der Digitalisierung steht. Es ist ein konkreter Auftrag an das Bildungsmonitoring gewesen, ein solches Benchmarking zu entwickeln, um dann auch in die Lage versetzt zu werden, Ausstattungsdefizite ausgleichen zu können.

Ganz aktuell haben wir eine Elternbefragung zum Thema Betreuungsbedarf von Kindern im Grundschulalter durchgeführt. Hier war der Ausgangspunkt, dass das regionale Bildungsnetzwerk das Thema der Offenen Ganztagsschulen stärker begleiten möchte und hier zunächst eine Bestandsanalyse gebraucht hat. Was wollen die Eltern eigentlich, was brauchen sie, womit sind sie zufrieden, womit sind Sie vielleicht auch nicht so zufrieden? Auf Basis von quantitativen und qualitativen Befragungen können sowohl die Planung von weiteren Betreuungsplätzen als auch Kooperations- und Vernetzungsstrukturen in der Bildungslandschaft verbessert werden.

 [KOSMO]: Wir bedanken uns für das interessante Gespräch, Frau Dr. Böhm-Kasper!

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