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Im Interview

Nadine Aker, Bildungsmonitorerin in Heilbronn, über die inhaltliche Ausrichtung der Heilbronner Bildungsberichterstattung und die Herausforderungen bei der Evaluierung von Leitzielen in der kommunalen Bildungsplanung.

[KOSMO]: Frau Aker, schon seit 2009 arbeitet das "Büro für Kommunales Bildungsmanagement" der Stadt Heilbronn daran, allen Bürgern der Stadt die gleichen Bildungschancen zu gewährleisten und die kommunalen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebote eng zu vernetzen. Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken: Was waren die wichtigsten Meilensteine beim Aufbau der Heilbronner Bildungslandschaft?

[Nadine Aker]: Die Weichen für ein systematisches kommunales Bildungsmanagement wurden bereits 2005 mit Gründung der Lenkungsgruppe "Bildung und Betreuung" unter Vorsitz des Bürgermeisters Harry Mergel gestellt. Zwei wichtige Meilensteine unserer Arbeit waren dann im Jahr 2008 die Einrichtung einer gemeinsamen Kooperationsstelle Bildung und Betreuung durch das Schul-, Kultur- und Sportamt (Amt 40) und das Amt für Jugend, Familie und Senioren (Amt 50) sowie die Einführung des "Heilbronner Wegs" in Form ganztägiger kommunaler Betreuungsangebote an allen städtischen Grundschulen.

Im Jahr 2009 folgte schließlich die Einrichtung eines übergreifenden "Büros für Kommunales Bildungsmanagement", was auch mit einer Aufstockung des Personals auf insgesamt 5,3 VZÄ einherging. 2014 wurde die Arbeit des "Büros für Kommunales Bildungsmanagement" dann verstetigt und an das Schul-, Kultur- und Sportamt angebunden. Im Jahr darauf beteiligten wir uns am Modellversuch "Regionales Übergangsmanagement / Ausbildungsvorbereitung dual", was ebenfalls zur Einrichtung einer entsprechenden Lenkungsgruppe führte. Im Jahr 2016 entwickelten wir dann gemeinsam mit dem Amt für Jugend, Familie und Senioren auf Grundlage von Schul- und Sozialdaten eine Ressourcenzuteilung für die Schulsozialarbeit an Grundschule.

Weitere Höhepunkte in der jüngeren Vergangenheit waren sicherlich auch die Überarbeitung und Neugestaltung unseres Bildungsberichtes im Jahr 2018 sowie die Erarbeitung eines Jahreskreislaufs des Bildungsmonitorings in Zusammenarbeit mit der Transferagentur Bayern im Jahr 2019.

[KOSMO]: Gehen wir etwas näher auf die Heilbronner Bildungsberichterstattung ein, die sich unter anderem durch ihren Fokus auf den Bereich der schulischen Bildung auszeichnet. Welche Überlegungen waren für diese inhaltliche Ausrichtung ausschlaggebend? 

[Nadine Aker]: Das Bildungsbüro ist in der Stadt Heilbronn im Schul-, Kultur- und Sportamt angesiedelt. Die amtliche Schulstatistik wird in diesem Amt verwaltet. Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des Schulträgers beschränkte sich der Bericht (vormals Schulbericht) anfangs ausschließlich auf die Schüler- und Klassenzahlen. Mittlerweile sind viele Themen dazu gekommen. Der Fokus wird jedoch weiterhin der Bereich der schulischen Bildung bleiben.

Die Schulentwicklung steht ebenfalls auf der Agenda des Schul-, Kultur- und Sportamts. Alle Entscheidungen, die die Heilbronner Schullandschaft betreffen, werden hier für den Gemeinderat vorbereitet. Die Zahlen, Daten, Fakten der schulischen Bildung sind die Grundlage der Entscheidungen.

Neben dem Bildungsbericht gibt die Stadt Heilbronn weitere Berichte heraus, in denen verschiedene Daten und Themen zu Kindern und Jugendlichen veröffentlicht werden. Das Amt für Familie, Jugend und Senioren gibt den Sozialdatenatlas heraus und die Stabsstelle Partizipation und Integration den Integrationsbericht.

Sozialdatenatlas
https://www.heilbronn.de/leben/soziales/sozialdatenatlas.html
Integrationsbericht
https://www.heilbronn.de/leben/partizipation-integration/integrationsberichte.html

[KOSMO]Ein zentraler Bestandteil der Heilbronner Bildungsberichterstattung ist außerdem die fortlaufende Evaluierung von vier Leitzielen der kommunalen Bildungsplanung. Welche Erwartungen waren mit dieser Herangehensweise verknüpft und inwiefern wurden sie erfüllt? 

[Nadine Aker]: Die Leitziele der Stadt Heilbronn wurden mit dem Beginn des Kommunalen Bildungsmanagements formuliert. Die Maßnahmen der Handlungsfelder der Bildung sind dadurch zielorientiert ausgerichtet worden.

Der Zweck der fortlaufenden Evaluierung ist es, Entwicklungen im Zeitverlauf darzustellen. Dadurch, dass langfristige Entwicklungen aufgezeigt werden, ist es möglich, die Wirkung von geänderten Rahmenbedingungen an den Kennzahlen abzulesen. Die Erwartung war demnach, die Analyse von langfristigen Wirkungen bildungspolitischer Maßnahmen leisten zu können und ein Instrument zur Steuerung zu schaffen. Diese Erwartung wurde dahingehend erfüllt, dass wir die Kennzahlen der Leitziele über einen langen Zeitraum ausgewertet haben und somit eine optimale Datengrundlage für die Einordnung bildungspolitischer und gesellschaftlicher Impulse aufweisen können.

Ein konkretes Beispiel ist die Sprachförderung. Die Maßnahmen hierzu können dem Leitziel 1 „Gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildung, um ihnen faire Zukunftschancen zu eröffnen“ bzw. dem Leitziel 4 „Förderung der Integration und des Zusammenlebens der Generationen“ zugeordnet werden. Sprachförderung ist in Heilbronn, aufgrund der hohen Anzahl an Menschen mit Migrationshintergrund, ein wichtiges Thema. Seit 2007/08 werden u.a. die Kennzahlen "Anteil der Kindergartenkinder in Sprachfördermaßnahmen" und "Anteil der Kindergartenkinder mit Zuwanderungsgeschichte in Sprachfördermaßnahmen" beobachtet. Bis 2017/18 wurde ein starker Anstieg der Kennzahlen verzeichnet. Hier konnte abgelesen werden, dass die Stadt große Anstrengungen unternommen hat, die entsprechenden Ziele zu erreichen. Die letzten zwei Jahre zeigen wieder eine Abnahme des jeweiligen Anteils an Kindergartenkindern in Sprachfördermaßnahmen. Recherchen belegten, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass durch den Ausbau der Gesamtkapazitäten verbunden mit dem Fachkräftemangel nicht genug Personal vorhanden ist, um Sprachförderung in vollem Umfang durchzuführen. Hier wurde der Handlungsbedarf durch Beobachtung der Kennzahlen für die politischen Entscheidungsträger sichtbar dargestellt.

Meilensteine des Heilbronner Bildungsmonitorings

  • 2005: Gründung der Lenkungsgruppe "Bildung und Betreuung"
  • 2008: Einrichtung einer gemeinsamen Kooperationsstelle Bildung und Betreuung durch das Schul-, Kultur- und Sportamt (Amt 40) und das Amt für Jugend, Familie und Senioren (Amt 50).
  • 2008: Einführung des "Heilbronner Wegs" in Form ganztägiger kommunaler Betreuungsangebote an allen städtischen Grundschulen
  • 2009: Einrichtung eines übergreifenden Büros zum kommunalen Bildungsmanagement und des Bildungsbeirats. Aufstockung des Personals, insg. 5,3 VZÄ.
  • 2015: Beteiligung am Modellversuch RÜM/AV dual und Einrichtung einer weiteren Lenkungsgruppe für das RÜM/AV dual.
  • 2016: Gemeinsame Entwicklung der Ressourcenzuteilung der Schulsozialarbeit an Grundschulen auf der Grundlage von Schul- und Sozialdaten mit Amt 50.
  • 2018: Überarbeitung und Neugestaltung des Heilbonner Bildungsberichts.
  • 2019: Erarbeitung eines Jahreskreislaufs des Bildungsmonitorings in Zusammenarbeit mit der Transferagentur Bayern.

Dadurch, dass langfristige Entwicklungen aufgezeigt werden, ist es möglich, die Wirkung von geänderten Rahmenbedingungen an den Kennzahlen abzulesen.

[KOSMO]Um ein abstrakt formuliertes Leitziel wie die "Schaffung gleicher Ausbildungs- und Beschäftigungschancen" zu evaluieren, muss es zunächst messbar gemacht werden: Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Operationalisierung der vier Leitziele der kommunalen Bildungsplanung?

[Nadine Aker]: Die Herausforderung hierbei liegt vor allem in der Auswahl der Kennzahlen. Die grundsätzlichen Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität sind dabei weitestgehend zu erfüllen. Da in unserem Kontext keine umfassenden Grundsatzforschungen möglich sind, werden bestehende theoretische Herleitungen sowie Ergebnisse empirischer Forschung genutzt, um diejenigen Kennzahlen auszuwählen, bei denen die genannten Kriterien erfüllt sind. Beispielsweise ist unumstritten, dass ein höherer Anteil an Ganztagsplätzen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Nicht für alle Aspekte der Leitziele lassen sich eindeutige Indikatoren finden: Die Schaffung gleicher Ausbildungs- und Beschäftigungschancen ist von mehreren Faktoren abhängig, z. B. von der konjunkturellen Lage. Man muss bei der Interpretation also bestimmte Rahmenbedingungen berücksichtigen, die ebenfalls nicht immer leicht operationalisierbar sind und sich häufig nicht direkt beeinflussen lassen im Sinne einer Steuerungsmöglichkeit.

Eine weitere Herausforderung liegt in der Verfügbarkeit geeigneter Daten. Die statistischen Auswertungsmöglichkeiten von Daten aus der amtlichen Schulstatistik auf kommunaler Ebene sind begrenzt.

[KOSMO]Der fünfte Heilbronner Bildungsbericht, erschienen im Jahr 2018, hebt sich durch aufwendig gestaltete Diagrammdarstellungen und den weitgehenden Verzicht auf einfache Tabellen ab. Weshalb haben Sie sich für diese Form der visuellen Aufbereitung entschieden?

[Nadine Aker]: Grafiken bieten dem Betrachter auf die Schnelle einen besseren Einblick in die statistischen Daten als Tabellen. Die Rezipienten sollen somit die Möglichkeit bekommen, schneller zu sehen, an welchen Stellen Veränderungen einschneidend sind und ggf. ein vertiefendes Einlesen interessant wird. Diagramme und Grafiken können die Übersetzung und Interpretation der Zahlen erleichtern und damit einer breiteren Zielgruppe zugänglich machen.

Der Erfolg der Umstellung von Tabellen auf Grafiken zeigte sich bereits im Austausch mit dem Bildungsbeirat und dem Gemeinderat. Hier kamen vermehrt Rückfragen zu den Sachverhalten der Schuldaten. Zusammenhänge wurden hergestellt und dadurch ergaben sich weitere Diskussionspunkte. 

Grafiken bieten dem Betrachter auf die Schnelle einen besseren Einblick in die statistischen Daten als Tabellen.

[KOSMO]Die Erstellung eines Bildungsberichts ist ein großes Projekt, in das zumeist eine Vielzahl von Akteuren eingebunden ist. Wie gestalteten sich diese Beteiligungsprozesse im Falle des fünften Heilbronner Bildungsberichts? 

[Nadine Aker]: Die Bildungsberichterstattung der Stadt Heilbronn ist in hohem Maße eingebunden in verschiedene Prozesse der Beteiligung und der Zusammenarbeit. Neben dem Büro für kommunales Bildungsmanagement sind weitere Akteure an der Erstellung beteiligt.

Schon beim Zusammentragen der Daten sind wir auf externe Akteure angewiesen, darunter z.B. Privatschulen, Hochschulen und die aim (Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken gGmbH). Verschiedene Ämter der Stadt helfen ebenfalls dabei, aktuelle Daten darstellen zu können.

Insgesamt ist der Prozess durch den Kreislauf des Bildungsmonitorings fest in einen vorgegebenen Gremienlauf eingebunden. Eine erste Diskussion neuer Themenschwerpunkte erfolgt in der Lenkungsgruppe "Bildung und Betreuung". Anschließend werden die identifizierten Themen durch das Bildungsbüro bearbeitet und die Ergebnisse werden für den Bildungsbericht aufbereitet. Im Frühjahr wird der Bericht dann in den Gremien Lenkungsgruppe „Bildung und Betreuung“ und Bildungsbeirat rückgekoppelt.

Die Bildungsberichterstattung der Stadt Heilbronn ist in hohem Maße eingebunden in verschiedene Prozesse der Beteiligung und der Zusammenarbeit.

[KOSMO]Die "großen" Heilbronner Bildungsberichte erscheinen im jährlichen Wechsel mit kompakten Zwischenberichten, die ein kleineres Set an Kennzahlen in den Blick nehmen. Welche besondere Funktion erfüllen diese Zwischenberichte im Produktportfolio der Heilbronner Bildungsberichterstattung?

[Nadine Aker]: Im Bildungsbericht wird u.a. über aktuelle Themen des kommunalen Bildungsmanagements informiert und die Entwicklung wichtiger Kennzahlen mit Blick auf die Leitziele der kommunalen Bildungsplanung dargestellt. Die Betrachtung dieser Indikatoren im Zeitverlauf hat, statistisch gesehen, mehr Aussagekraft, wenn zwei weitere Jahre beobachtet werden. Die Themen, denen sich das kommunale Bildungsmanagement annimmt, bleiben oftmals über zwei oder mehr Jahre im Fokus.

Der Zwischenbericht enthält dagegen lediglich die Kennzahlen der amtlichen Schulstatistik, die jährlich aktualisiert werden. Das Bildungsbüro gibt diese Zahlen als Bericht heraus, um hier lückenlos und zum aktuellen Schuljahr den beteiligten Akteuren, wie z.B. dem Gemeinderat, die Zahlen präsentieren zu können.

Es gibt immer wieder Überlegungen, wie die beteiligten Akteure auf anderer Ebene erreicht und informiert werden können. Während des Prozesses der Schulentwicklungsplanung 2019/20 gab es eine Schultour sowie Projektgruppen, in denen die beteiligten Akteure die Möglichkeit der Mitarbeit hatten. Diese Formate wurden als positive Form der Kommunikation zwischen Verwaltung und Gemeinderat wahrgenommen und werden im regelmäßigen Turnus zu aktuellen Themen weiterhin stattfinden. In diesem Zusammenhang wird das Herausgeben des Zwischenberichts neu überdacht.

[KOSMO]Wagen wir zum Schluss einen Blick in die Zukunft. Wenn Sie ausschließlich Idealistin sein dürften: Wo stünde dann die Heilbronner Bildungsberichterstattung im Jahr 2030?

[Nadine Aker]: Obwohl die Heilbronner Bildungsberichterstattung bereits sehr weit entwickelt ist, besteht selbstverständlich noch Potential, an einigen Stellen weitere Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Ein Ansatzpunkt ist, Beteiligungsprozesse weiter auszubauen. Ein erster Schritt in diese Richtung liegt bereits hinter uns: Im Rahmen der 2019/20 durchgeführten Schulentwicklungsplanung haben wir erfolgreich eine intensive Einbindung von Experten verschiedener Interessensgruppen in den Prozess erreichen können. Durch die Mitarbeit von Gemeinderatsvertreter*innen, Schulen, Elternvertreter*innen und weiteren Stakeholdern konnten Ergebnisse erzielt werden, die sowohl inhaltlich fundiert sind als auch auf ein hohes Maß an Zustimmung stoßen.
Der aktuelle Schulentwicklungsprozess hat ein weiteres Kapitel geschrieben und wird bis zum nächsten Prozess in Form einer AG in begrenztem Umfang fortgeführt. Dies geschieht aufgrund der positiven Erfahrungen aus dem aktuellen Prozess und auf ausdrücklichen Wunsch des Gemeinderats, weiterhin regelmäßig zu Themen der Schullandschaft zu tagen.

Im Umgang mit Schüler*innendaten ist Datenschutz ein großes Thema. Es wäre schön, wenn wir im Jahr 2030 auf der Grundlage einer eindeutigen SchülerID endlich dazu in der Lage wären, Schulbiografien auswerten zu können, um anhand von Übergängen, Brüchen, Wechseln etc. Maßnahmen im Sinne der vier Leitziele ableiten zu können.

 [KOSMO]Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frau Aker.

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